Lucas Horn, Univeristät Duisburg-Essen
Lucas Horn, Universität Duisburg-Essen

Sehr geehrter Herr Horn, für die Rohstahlerzeugung werden große Mengen CO2 im Hochofen emittiert, weshalb dieses Verfahren z.B. auf Direktreduktion (DRI) mit Wasserstoff umgestellt werden soll. Im KlimPro-Industrie-Projekt "NUCOWin -Nutzung von CO2 im Heißwind zur Effizienzsteigerung im Hochofen" untersuchen Sie gemeinsam mit den Projektpartnern die Anwendung und Umsetzung eines Prozesses zur CO2 Minderung mittels der Reduktionsgasherstellung für Hochöfen in Kombination mit dem DRI-Prozess. Was schätzen Sie welches Entwicklungsstadium im Projekt erreicht wird und wann eine Umsetzung mit tatsächlicher CO2 Einsparung in den Werken zu erwarten wäre.

Im Projekt NuCOWin liegt der Schwerpunkt auf der Validierung der Technologie zur CO2-Reformierung sowie der Bestimmung des Energieverbrauchs. Es wird erwartet, dass im Rahmen des Projekts der Technology Readiness Level (TRL) 4-5 erreicht wird, welches einer Validierung im Labormaßstab entspricht.

Der aktuelle Stand der Versuche umfasst die Evaluierung zahlreicher Optionen. Abhängig von den Projektergebnissen und den Rahmenbedingungen könnte anschließend die Entwicklung einer Pilotanlage erfolgen. Somit ist eine kurz- bis mittelfristige Umsetzung denkbar.

CO2-Emissionen sollen durch den in NUCOWin untersuchten Prozess in der Übergangsphase von Stahlherstellung im Hochofen hin zur Herstellung mit Direktreduktion mit Wasserstoff eingespart werden. Wie hoch schätzen sie die CO2-Einsparung bezogen auf die Stahlerzeugung (Hüttenprozess und DRI-Prozess) ein. Bei Nutzung der Technologie in allen derzeit genutzten Hochofenprozessen, wie viel CO2-Einsparung würde in Deutschland und wieviel in Europa eingespart werden?

Je nach verfolgtem Ansatz lassen sich auf diesem Weg CO2-Einsparungen zwischen 12 % und 30 % erzielen. Darüber hinaus könnte die Technologie CO2 aus CO2-intensiven Prozessen wie Gaskraft- oder Zementwerken wieder nutzbar machen.

Die Dekarbonisierung der Stahlherstellung wird in Deutschland für 2045 angestrebt. Wie viele Jahre können die in NUCOWin entwickelten Technologien CO2-Emissionen einsparen, wenn die Entwicklungen in den geplanten Zeiträumen realisiert/umgesetzt werden?

Ab ca. 2030 könnte die Technologie für einen Zeitraum von 15 Jahren Emissionen einsparen, bis alle Hochöfen in Europa nach heutigen Planungsstand abgeschaltet sind. Allerdings wird Kohlenstoff weiterhin in metallurgischen Prozessen benötigt, jedoch nicht mehr als Energieträger und zur Erzeugung von Reduktionsgas, sondern stofflich. Somit ist auch nach 2045 eine Verwendung der im Projekt NuCOWin betrachteten Technologie möglich. Die Nutzung des Synthesegases ist dabei nicht auf den Einsatz im Hochofen beschränkt. Auch zukünftige Direktreduktionsanlagen und gasbetriebene Aggregate wie Stoßöfen könnten mit einem entsprechenden Gas versorgt werden. Dadurch kann man die Technologie zur CO2-Reformierung in zahlreichen Bereichen einsetzen.

Welcher Entwicklungsstand wird im Projekt angestrebt und was wird den Herstellern nach Projektende an die Hand gegeben. Sind Nachfolgeprojekte notwendig?

Wichtige Grundlagen werden in dem Projekt erarbeitet. Nach dem aktuellen Kenntnisstand konzentriert sich das Projekt auf externe CO2-Reformierung. Weitere Möglichkeiten dem Prozess Energie nachhaltig zur Verfügung zu stellen, könnte in weiterführenden Projekten evaluiert werden, da dies über den Scope des Projektes NuCOWin hinaus geht.

Welcher Zeitrahmen ist mit den Entwicklungsschritten im Projekt verbunden? Ab wann sind Ergebnisse verfügbar, mit denen entweder ein Nachfolgeprojekt zur Demonstration/Pilotprojekt oder die Industrie sowie Anlagenbauer, beispielsweise Projektpartner oder auch Pilotkunden, in die Umsetzung gehen können?

Nach Projektende stehen die Ergebnisse in Form von peer-reviewed Publikationen zur Verfügung, sodass Industrie und Anlagenbauer im Pilotmaßstab in die Umsetzung gehen können. Des Weiteren wird über die Diskussion eines Nachfolgeprojektes aktiv nach Projektpartnern gesucht, um die kommenden Entwicklungsschritte passend zu begleiten.

Können Sie uns bereits einen Einblick in die Methodik und Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse geben?

Die Methodik der Lebenszyklusanalyse folgt den ISO Normen 14040/44 sowie der Product Carbon Footprint Norm 14067. Die Systemgrenze ist ‚cradle-to-gate‘, d.h. es werden alle Stoff- und Energieflüsse sowie Emissionen vom Abbau über Transport bis zur Herstellung des Produktes betrachtet.

Im Projekt hat sich bereits herausgestellt, dass kaltes CO2-Einblasen in den Hochofen aus LCA-Sicht nicht vorteilhaft ist. Entweder muss das CO2 heiß in den Ofen chargiert werden, wobei das Aufheizen mit erneuerbarem Strom besonders vorteilhaft ist. Ebenfalls ist eine vorherige externe Reformierung des CO2 durch den Einsatz von erneuerbarem Strom oder mit CO2-armen Wasserstoff eine vorteilhafte Option. Für genaue Ergebnisse müssen noch die Erkenntnisse der ausstehenden Versuche abgewartet werden.

Ist eine Pilotanlage mit Ihrem Projektpartner geplant? Wie sieht die langfristige Vermarktungsstrategie aus, um einen möglichst großen Hebel für die Innovationen zu erreichen? Haben Sie bereits Ihre Technologie Anlagenbauern vorgestellt?

Die Projektpartner sind eng mit Technologieanbietern vernetzt. Im Rahmen dieser bestehenden Kooperationen wurde auch das Projekt diesen Anbietern vorgestellt. Aufbauend auf die noch zu erwartenden Projektergebnisse sowie auf Basis möglicher Folgeprojekte haben die Technologieanbieter großes Interesse an dem Projektfortschritt gezeigt.

Die Umsetzbarkeit des Ansatzes hängt hierbei von verschiedenen Faktoren und Rahmenbedingungen ab, wie der Verfügbarkeit von günstiger nachhaltiger Energie und/oder biogenen Kohlenstoffträgern, der Technologieoffenheit und dem Kapital zum Bau einer etwaigen Anlage.

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen! Wir wünschen Ihnen und Ihren Projektpartnern viele Erfolge im Projekt.

Herzlichen Dank für das Interview und die Unterstützung Ihrerseits.

 

Das Interview wurde im März 2025 schriftlich mit Herrn Lucas Horn geführt und mit dessen Einverständnis am 08. April 2025 veröffentlicht.