Stefan Jungk | JUWÖ POROTON-WERKE Ernst Jungk Sohn GmbH
Stefan Jungk, JUWÖ POROTON-WERKE Ernst Jungk Sohn GmbH

Sehr geehrter Herr Jungk, vielen Dank, dass Sie dieses Interview mit uns führen. Es geht um das Projekt "Spaltgas - Grünes Spaltgas als Brenngas zur Ziegelherstellung", welches Sie koordinieren.

Die Keramikindustrie, speziell die Ziegelindustrie, ist eine energieintensive Industrie. Erdgas wird als Hauptenergieträger genutzt. Die Verwendung von klimaneutralen Gasen wie Wasserstoff und Ammoniak steht im Fokus des KlimPro-Industrie-Projektes. Wie relevant wird konkret der Einsatz von Ammoniak in den nächsten Jahren für die Ziegelindustrie allgemein, und speziell für Ihr Unternehmen, werden?

Der Einsatz von Ammoniak könnte ungeachtet der offenen Emissionsproblematik eine maßgebende Rolle spielen, wenn es gelingt, grünen Ammoniak in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.

Im KlimPro-Industrie-Projekt „Spaltgas“ haben Sie sich mit der Entwicklung eines Spaltreaktors, eines Brennprozesses und mit den Auswirkungen auf das Produkt „Ziegel“ beschäftigt. Wie bewerten Sie den Stand der Ergebnisse? Wann ist die Technologie aus dem Labormaßstab skalierbar auf die industrielle Anwendung?

Der Spaltreaktor, zur teilweisen Aufspaltung von NH3 in Wasserstoff und Stickstoff, ist entwickelt und einsatzfähig. Brenner für den Einsatz von Ammoniak sind entwickelt und getestet. Erste Ziegel sind in einem Laborofen gebrannt worden. Die technischen Parameter dieser Ziegel scheinen nach ersten Erkenntnissen denen zu entsprechen, die unter Einsatz von herkömmlichen Brennstoffen erzeugt wurden. Insofern scheint eine Skalierbarkeit auf die industrielle Anwendung gegeben. Wesentliches Forschungspotential besteht aber noch auf der Emissionsstrecke des Tunnelofens, dem Brennaggregat der Ziegelindustrie. Wenn ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, müssen Forschungen in dieser Richtung betrieben werden.

Sind die erwarteten Erhöhungen der NOx-Emissionen durch primäre Maßnahmen (Brennerkonfiguration) eingetreten und werden die gesetzlichen Anforderungen zur Einhaltung des Grenzwertes erreicht?

Zu dieser Fragestellung können bisher nur theoretische Aussagen getroffen werden, was den Umfang der zu erwartenden NOx-Emissionen betrifft. Ob die gesetzlichen Anforderungen zur Einhaltung des Grenzwertes erfüllbar sind, ist bisher nicht bekannt, da Erfahrungen zu möglichen Adsorptionsgraden von NOx im Tunnelofen infolge von Rohstoffreaktionen fehlen. Unabhängig ob Ammoniak oder reiner Wasserstoff genutzt werden kann, ist eine Erhöhung der NOx-Werte zu erwarten.

 Ammoniak ist ein giftiger Stoff. Gehen Sie von einer breiten Akzeptanz in der Ziegelindustrie aus?

Ammoniak zählt zu den weltweit meist transportierten Rohstoffen. Der Umgang damit ist Stand der Technik. Die Ziegelindustrie kann sich auf bewährte Nutzungsprofile einstellen und diese übernehmen. Wenn Ammoniak als CO2-neutraler Brennstoff und zu nahezu vergleichbaren Kosten wie herkömmliche Brennstoffe zur Verfügung steht, wird die Akzeptanz vorhanden sein. Gleichwohl bedarf es sicherlich der Aufklärung über die Beherrschbarkeit der Technik gegenüber Behörden, Anwohnern, Belegschaften und Kunden.

Sollte grüner Ammoniak zur Verfügung stehen, ist die Verwendung für ein gesamtes Ziegelwerk als vollständiger Ersatz von Erdgas realistisch? Sollte grüner Ammoniak nicht zur Verfügung stehen, wie könnte die energetische Versorgung der Zukunft sichergestellt werden?

Wir sehen den Einsatz von grünem Ammoniak vor allem im Tunnelofen, und zwar nach heutigem Stand eher als Beimischung. Neben der Verfügbarkeit und der bisher ungelösten NOx-Emissionsproblematik müssen wir auch die Kosten im Blick haben. Es wird eine Mischung aus vielen Technologien sein. Grundsätzlich geben wir für die großtechnische Anwendung der Elektrifizierung den Vorzug. Geeignete Technologien sind dazu bereits jetzt am Markt verfügbar, wenn auch teuer und ohne größere Erfahrung. Aber auch hier ist die Frage der Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit von grünem Strom für die breite Masse der Industrie ungelöst. Wir bei JUWÖ sind durch die konkrete Planung eines großen PV-Parks auf eigenen Flächen sowie der direkten Anbindung über Kabel an Windkraftanlagen vergleichsweise gut aufgestellt.

Wie stellen sich die Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit für die Verwendung von Ammoniak in der konkreten Anwendung des KlimPro-Industrie-Projekts „Spaltgas“ dar?

Eine wirtschaftliche Verwendung von grünem Ammoniak ist aktuell nicht gegeben, weil es kaum grünen Ammoniak auf dem Markt gibt. Die Wirkungsgradverluste auf dem Weg zum Brennprozess sind erheblich und sind Stand heute nur mit einer erheblichen Reduktion der Kosten entlang der Wertschöpfungs- und Transportkette in Grenzen zu halten. Das sind nicht wegzudiskutierende Unsicherheiten. Eine großtechnische Investition in einen ammoniakbasierten Brennprozess ist bis auf Weiteres wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Umweltverträglichkeit muss, wie bereits erwähnt, weiter und intensiv beforscht werden.

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen! Wir wünschen Ihnen weiterhin viele Erfolge im Projekt!

Das Interview wurde am 02. April 2024 schriftlich mit Dipl.-Kfm. Univ. Stefan Jungk geführt und mit dessen Einverständnis am 07. Mai 2024 veröffentlicht.